1886 hatte hier vorne ein Konditormeister Kirchner eine Konditorei mit Restaurant, wie das so üblich war. Der hörte aber nach zwei Jahren auf. Da hat mein Urgroßvater gesagt: Das können wir ja so weiter machen. Das ging ja damals, auch wie jetzt wieder. So hat er das angefangen und 1909 das Café in der jetzigen Größe gebaut. Mein Opa hat dann das Geschäft bis 1964 gehabt. Und nach 1964 machte seine Tochter Liselotte, meine Mutter, das wieder weiter. Wir sind keine DDR-typische Familie. Wir hatten schon generell unsere Probleme mit dem Staat. Wegen dieses Geschäftes. Das ist eben zu groß. Ein kleiner Handwerker, der seine Sattlerei betreibt, der fiel nicht so auf. Aber dieser Klotz hier an der Ecke, der war zu sehr ein Dorn im Auge. Die Flucht nach vorn war eigentlich, dass mein Opa und auch mein Vater in die LDPD, die Liberaldemokratische Partei Deutschlands gingen. Die waren keine Mitglieder, die was sagten, sie waren eben irgendwo drin und damit war Ruhe. Damit waren sie für die SED gestorben. Die Zukunft sehe ich irgendwie so: Wir müssen uns erst mal ein paar Jahre sehr bescheiden anstellen. Die nächste Generation ist da. Mein jüngerer Sohn hat drei Jahre in Leipzig Konditor gelernt und arbeitet im Moment in Hannover in einer Kakaostube. Na ja, und dann wird er wohl auf die Meisterprüfung losgeschickt. Er hat schon als Fünfjähriger gesagt: “Ich will das Geschäft übernehmen.” Also weitergehen soll es in jedem Falle. Es soll aber auch irgendwie im Stile weitergehen. Es ist nicht an so etwas gedacht, wie alle Möbel raus oder so. So ist es nicht gedacht. Es kommt aber auch immer wieder etwas dazwischen was man nicht eingeplant hat. So haben wir eine Entlüftungsanlage im Café, die steht aber auch so ungefähr seit 1930. Da können wir nur jeden Tag beten, hoffentlich hält’se noch recht lange durch.
(Heide Freygang, Café Kolditz, Sangerhausen)